Ab Yssin

Ab Yssin

Cover vom Buch Katharina?

Katharina?; im November 2023 im Edition Paashaas Verlag erschienen.
Klappentext:
Ein Anwesen, weit abgelegen von der Großstadt.
Eine Landschaft, im Winter bedeckt von Schnee.
Der Inbegriff von Idylle.
Doch in der Nacht wird der Boden des Wohnzimmers von Schwärze verschlungen.

Kennt ihr das Gefühl, wenn der Boden in eurem Zimmer nicht mehr sicher ist?

Falls Katharina sich DAS LOCH nur einbildet, wohin ist dann die Olive verschwunden, die sie in die Schwärze geworfen hat?

Katharina?
Autor: Jaana Redflower
Originalausgabe: November 2023
Covermotiv: Jaana Redflower
Bilder Krähen: Pixabay.com
Copyright: Edition Paashaas Verlag
www.verlag-epv.de
ISBN: 978-3-96174-134-2
Format 13,5 x 20cm, Paperback, 168 Seiten
VK: 11,95 Euro
Edition Paashaas Verlag, www.verlag-epv.de


Kurzbeschreibung und Hintergrund zum Buch:
Katharina? ist ein mystischer Psychothriller, der auf dem Land im Winter in Wales spielt. Ein Pärchen möchte sich dort einen Traum verwirklichen und abseits vom Trubel der Großstadt neu beginnen, jedoch werden die beiden, Katharina und Ferdinand, eingeschneit und abgeschnitten von der Außenwelt. So sind sie allein mit ihren Ängsten - und den Alpträumen, die an diesem Ort Wirklichkeit werden.
Hintergrund ist meine Angst als Kind, dass es im Haus meiner Großeltern bei Nacht ein bodenloses Loch gab. Als ich dann hörte, dass meine Urgroßmutter im selben Haus ebenfalls ein schwarzes Loch im Boden fürchtete, kam mir die Idee zum Roman.

Leseprobe

Ein bisschen unsicher fühlte sich Katharina schon. Es war nicht ihre Art, einfach so alle Brücken hinter sich abzubrechen. «Ich schau mal, ob ich noch ein paar Oliven und etwas Wein finde.»
Ferdinand lächelte ihr zu. «Und ich hab extra Kaviar und Sekt geholt!»
«Du weißt ja, dass ich diese abgehobenen Sachen eigentlich gar nicht mag.» Sie bemühte sich, ebenfalls froh zu wirken, aber sie fühlte, dass er es ihr nicht abnahm. Rasch drehte sie sich um und lief Richtung Vorratskammer. Ihre Schwester war immer die gewesen, die einen auf Schickimicki gemacht hatte. Darum passte sie auch so gut nach New York. Für Katharina blieb das rustikale Landhaus, weit abgelegen von allen Hauptstraßen. Hashtag: Entschleunigung, rief sie sich in Erinnerung. Sie hatte es so gewollt.
Als sie vollbeladen aus der Vorratskammer zurückkehrte, holte sich Ferdinand gerade einen Riesenlöffel Fischeier und schmierte sie auf Käsecracker. «Das musst du mal probieren; schmeckt echt gut!»
Sie stellte die neuen Sachen auf dem Tisch ab und ließ sich von ihrem Mann füttern. «Tatsächlich!»
«Ich hab ja immer geglaubt, die Reichen behaupten nur, dass dieses Zeug schmeckt. Aber in der Kombination gefällt mir der Geschmack auch.»
Sie nahm sich noch einen, dann einen weiteren; dann vergaß sie die Oliven.
«Bestimmt vermisst du Clara schon jetzt; ich hoffe, morgen funktioniert die Leitung wieder.»
«Das hoffe ich auch.»
Er nahm sie in den Arm. «Bestimmt kommt sie spätestens Weihnachten rüber. Dann stellen wir einen Baum auf, gleich neben dem Kamin, und singen gemeinsam Lieder.»
Katharina nickte und kuschelte sich an ihn. Der Gedanke daran gefiel ihr; bestimmt würde sie dieses Haus lieben, sobald sie sich erstmal eingelebt hatten.
Keiner von ihnen bemerkte, wie der schwarze Nebel vorm Fenster rollte.
∞ Katharina erwachte mitten in der Nacht. Der Stundenzeiger stand knapp hinter der Eins − einer gusseisernen, dicken Ziffer, spitz am oberen Ende. Sie hatte einen unangenehm metallischen Geschmack im Mund.
Nun schlug ihr Herz dreimal schneller als die Pendeluhr. Sie kam aus dem Reich der Alpträume, durchlebte einen dieser Momente, in denen man einen Teil seiner Seele zurückgelaßen hat im Abgrund jenseits des Bewusstseins, an den sich der Verstand nicht zu erinnern vermag.
Für einen Moment überlegte sie, ihren Mann zu wecken. Sie wollte gerade rufen − «Ferdinand!» − Doch sie kniff die Lippen zusammen und starrte ihn nur an: wie er dort lag und sich in einem unruhigen Schlaf plagte, in der Ecke des Sofas zusammengerollt. Er warf seinen Kopf von links nach rechts, und seine Füße zuckten, als liefe er vor etwas davon. Sie kam sich töricht vor, ihm ihre Angst zu beichten.
Angst hatte sie ganz gewiss, das wurde ihr schlagartig klar. Gab es einen Grund dazu?
Sie blickte in den Raum, schob dabei unwillkürlich die Füße den Fliesen entgegen. Feuchtigkeit und Kälte krochen augenblicklich an ihren Beinen empor. Hastig zog sie ihre Gliedmaßen hoch. Für einen Moment hatte sie geglaubt, etwas anderes − nicht nur die Kälte, sondern etwas Körperloses, Unsichtbares − hätte sie berührt.
Das Pendel der Uhr schwang weiter, langsam, stetig. Wie ein Beil, schoss es ihr durch den Kopf, wie eine Ausgeburt aus Edgar Allan Poes Fantasie. Das Beil senkte sich. Sie zwang sich, an etwas anderes zu denken: Ein neues Scheit musste nachgelegt, die Glut wieder entfacht werden! Dann wich die Kälte, dann wich die Dunkelheit. Dann wäre alles wieder gut.
Wie konnte sie das tun, ohne den Boden zu berühren?
Sie erinnerte sich, wie sie diesen als Kind nicht betreten durfte. Denn dort unten war ES. Wenn sie nachts zur Toilette mußte, krabbelte sie über eine Reihe von Stühlen und Kisten und sprang den letzten Meter, bis ins Bad. Was genau ES war, hatte sie nie erfahren. Natürlich war der Gedanke an etwas Böses, das über den Boden kroch, absolut lächerlich! Kein Abgrund würde sich auftun und sie verschlingen, kein Wesen würde kommen und sie entführen. So langsam sie konnte, senkte sie ihren Fuß ein weiteres Mal. Mit jedem Zentimeter − nein, mit jedem Millimeter! − konnte sie spüren, wie es kälter wurde. Als wäre der Untergrund mit einer dünnen Schicht aus Eis überzogen. Doch nichts glänzte, wo die sterbende Glut die Dielen erhellte. In den Tiefen der Schatten gaukelte ihr die Finsternis die Ränder eines Lochs vor, das auf sie lauerte.
Sie stellte sich vor, was passieren würde, wenn es weiter auf sie zukroch: Dann müssten das Sofa, der Tisch, müsste alles hinunterstürzen! Sogar der Teppich, der rote, müsste fallen, die Außenseiten nach oben geklappt, und sie hätte Wind in den Ohren gespürt! Doch sie hörte nur das Uhrwerk, das immer langsamer lief. Denn ihr Herz konnte nicht wirklich so schnell schlagen, oder?
Nein, unter ihren Füssen befand sich kein Abgrund; das war absolut unmöglich.
Aber weiter hinten, hinter dem Tisch, war das Schwarz dort nicht noch ein wenig tiefer? So dunkel wie das Nichts; als wäre dort ein Tor zu einer anderen, finsteren Dimension, vielleicht ein Tor zu den Alpträumen selbst! Vor ihr, auf einem Tablett, stand noch immer das Glas, randvoll mit Oliven − salzige, grüne Früchte. Davon gab es noch einige in der Vorratskammer, wo Ferdinand viele Konserven gelagert hatte, für den Fall, dass sie eingeschneit werden würden. Das geschah an diesem Ort manchmal bereits im November; der Winter war kalt und lang. Und düster, hatte ihr Mann gesagt. Er hatte wirklich an alles gedacht.
Nur nicht an das schwarze Loch im Wohnzimmer.
Sie konnte spüren, dass es da war.
Sie schraubte den Deckel ab und nahm eine der Oliven. Wenn sie sie warf, würde sie den Aufprall hören. Dann wäre sie beruhigt.
Und wenn sie keinen Aufprall hörte? War das dann die Bestätigung, dass sich dort drüben tatsächlich ein schwarzes Loch im Boden befand?
Die salzige Frucht, deren öl ihre Finger benetzte, war so einfach in den Mund zu legen − auf die Zunge, ihre Geschmacksknospen − und das Salz würde sich in ihrem Mund verteilen. War es nicht viel einfacher, sie zu essen? Sie konnte herausfinden, ob ein Stein darin war. Vielleicht enthielt die Frucht auch eine Mandel, etwas Paprika oder ein Stück Knoblauch? Danach konnte sie sich wieder auf dem Sofa hinlegen und schlafen bis zum nächsten Morgen. Theoretisch.
Ihre Hand zitterte, als sie zum Wurf ausholte. Sie schwitzte heftig. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn. Sie hatte einen bitteren Geschmack im Mund, obwohl sie die Olive nicht gegessen hatte. Sie leckte sich über die Lippen.
Dann warf sie.
Horchte.
Einen Aufprall hörte sie nicht.
Hieß das nun, dass die Frucht wirklich in der Schwärze versunken war?
Oder war deren Fleisch zu weich, um hörbar über die Bretter zu rollen?